Massenpsychose – Wie eine ganze Bevölkerung psychisch krank wird

Massenpsychose – Wie eine ganze Bevölkerung psychisch krank wird

Diese After Skoolpräsentation wurde von Academy of Ideas geschrieben und erzählt und anschließend ins Deutsche übersetzt. Den Link zum englischen Original findet ihr in der Videobeschreibung.

„Nie haben die Massen nach Wahrheit gedünstet. Von den Beweisen, die ihnen missfallen wenden sie sich ab und ziehen es vor den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zur Verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht steht ihr Opfer.“

Gustave Le Bon

Laut dem Psychologen Carl Jung geht die größte Bedrohung für die Zivilisation nicht von den Kräften der Natur aus, auch nicht von einer physischen Erkrankung, sondern von unserer Unfähigkeit, mit den Kräften unserer eigenen Psyche umzugehen. Wir sind uns selbst die schlimmsten Feinde — oder, wie ein lateinisches Sprichwort sagt: homo homini lupus. In Zivilisation im Übergang führt Jung aus, dass dieses Sprichwort eine traurige, aber ewige Binsenweisheit ist und dass unsere wolfsähnlichen Tendenzen am deutlichsten in den Zeiten der Geschichte zum Tragen kommen, in denen psychische Krankheiten in einer Gesellschaft eher die Regel als die Ausnahme werden. Eine solche Situation bezeichnet Jung als psychische Epidemie.

In der Tat, schreibt er weiter, wird es immer offensichtlicher, dass nicht Hungersnöte, nicht Erdbeben, nicht Mikroben und nicht Krebs, sondern der Mensch selbst die größte Gefahr für den Menschen darstellt — und zwar aus dem einfachen Grund, dass es keinen angemessenen Schutz gegen psychische Epidemien gibt, die ungleich verheerender sind als die schlimmsten Naturkatastrophen.

In diesem Video werden wir die gefährlichste aller psychischen Epidemien untersuchen: die Massenpsychose. Eine Massenpsychose ist eine Epidemie des Wahnsinns; sie tritt auf, wenn ein großer Teil einer Gesellschaft den Bezug zur Realität verliert und in Wahnvorstellungen versinkt. Ein solches Phänomen ist keine bloße Fiktion. Beispiele sind die amerikanischen und europäischen Hexenjagden im 16. und 17. Jahrhundert sowie der Aufstieg des Totalitarismus im 20. Jahrhundert.

Während der Hexenjagden wurden Tausende Menschen — meist Frauen — nicht etwa wegen eines Verbrechens, das sie begangen hatten, getötet, sondern weil sie zum Sündenbock einer verrückt gewordenen Gesellschaft wurden. In einigen Schweizer Dörfern, berichtet Francis Hill, überlebten kaum noch Frauen, nachdem der Wahnsinn schließlich abgeflaut war. Wenn eine Massenpsychose auftritt, sind die Folgen verheerend.

Jung untersuchte dieses Phänomen eingehend und schrieb, dass die Individuen, aus denen eine infizierte Gesellschaft besteht, moralisch und spirituell verarmen. Sie sinken unbewusst auf ein geringeres intellektuelles Niveau; sie werden unvernünftiger, unverantwortlicher, emotionaler, unberechenbarer und unzuverlässiger. Und das Schlimmste: Verbrechen, die ein Einzelner allein niemals begehen würde, werden von der vom Wahnsinn befallenen Gruppe freiwillig begangen. Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass die Betroffenen einer Massenpsychose nicht erkennen, was mit ihnen geschieht. Wie ein Einzelner, der wahnsinnig geworden ist, nicht aus seinem Verstand heraustreten kann, um seine Fehler zu sehen, so existiert auch kein archimedischer Punkt, von dem aus diejenigen, die eine Massenpsychose durchleben, ihren kollektiven Wahnsinn beobachten könnten.

Aber was verursacht eine Massenpsychose?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst untersuchen, was ein Individuum in den Wahnsinn treibt. Zwar gibt es viele potenzielle Auslöser — übermäßiger Drogen- oder Alkoholkonsum, Hirnverletzungen oder andere Krankheiten — doch diese physischen Ursachen bleiben hier unberücksichtigt.

Im Fokus stehen die psychologischen Auslöser, denn sie sind die häufigeren Ursachen von Massenpsychosen. Die häufigste psychogene Ursache einer Psychose ist eine Flut negativer Emotionen — etwa Angst oder Furcht — die eine Person in einen Zustand der Panik versetzt. In einem solchen Zustand sucht das Individuum natürlicherweise nach Erleichterung; es ist mental und körperlich zu erschöpft, um dauerhaft in diesem hyperemotionalen Zustand zu verharren. Während die adaptiven Wege aus der Panik — etwa die Konfrontation mit der angstauslösenden Bedrohung und deren Bewältigung — anstrengend und mit Risiken verbunden sind, bietet ein psychotischer Zusammenbruch eine andere „Fluchtmöglichkeit“.

Ein psychotischer Zusammenbruch ist kein bloßer Abstieg in gröbere Störung, wie viele annehmen, sondern eine Neuordnung der eigenen Erfahrungswelt: Fakten und Fiktionen, Wahn und Realität vermischen sich auf eine Weise, die dazu beiträgt, die Panikgefühle zu beenden.

Silvano Arieti, eine der führenden Autoritäten auf dem Gebiet der Schizophrenie des 20. Jahrhunderts, beschreibt die psychogenen Schritte, die zum Wahnsinn führen. Zunächst steht die Panikphase: Der Patient nimmt die Dinge anders wahr, ist verängstigt und verwirrt und weiß nicht, wie er die seltsamen Geschehnisse erklären soll. Der nächste Schritt ist das, was Arieti eine Phase psychotischer „Erkenntnis“ nennt: Das Individuum fügt die Wahrnehmungen so zusammen, dass eine pathologische Sichtweise der Realität entsteht, welche seine abnormalen Erfahrungen zu erklären scheint. Diese „Erkenntnis“ ist insofern trügerisch, als sie auf Täuschungen beruht und nicht auf adaptiven, lebensfördernden Wegen, mit der Bedrohung umzugehen, die die Panik ausgelöst hat. Mit anderen Worten: Die Wahnvorstellungen ermöglichen dem von Panik betroffenen Individuum die Flucht vor der Flut negativen Gefühls — allerdings zum Preis des Realitätsverlusts. Arieti folgert, dass ein psychotischer Ausbruch als abnorme Art des Umgangs mit extremen Angstzuständen verstanden werden kann.

Wenn eine panikauslösende Flut negativer Emotionen bei einem schwachen und verletzlichen Individuum einen psychotischen Ausbruch auslösen kann, dann kann eine Massenpsychose entstehen, wenn eine Bevölkerung aus vielen solchen verletzlichen Individuen durch reale, eingebildete oder erfundene Bedrohungen kollektiv in Panik versetzt wird.

Wahnvorstellungen können sich jedoch in unzähligen Formen manifestieren; wie genau sich eine Massenpsychose entwickelt, hängt daher vom historischen und kulturellen Kontext der betroffenen Gesellschaft ab. In der modernen Ära erscheint die Massenpsychose des Totalitarismus als die gravierendste Bedrohung.

Totalitarismus, schreibt Artur Wehrs Louis, ist das moderne Phänomen total zentralisierter Staatsmacht in Verbindung mit der Auslöschung individueller Rechte. Im totalen Staat gibt es die Machthaber und die objektivierten Massen — die Opfer. In einer totalitären Gesellschaft ist die Bevölkerung in zwei Gruppen geteilt: die Herrschenden und die Beherrschten. Beide Gruppen durchlaufen pathologische Veränderungen: Die Herrschenden werden zu einer fast gottähnlichen Kaste erhoben — ein Zustand, der unserer menschlichen Natur als unvollkommenen Wesen diametral widerspricht, da Macht leicht korrumpiert. Die Massen hingegen verfallen in einen abhängigen, regressiven, beinahe kindlichen Status.

Hannah Arendt, eine der wichtigsten politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts, bezeichnete den Totalitarismus als den Versuch, die menschliche Natur selbst zu verändern. Diese erzwungene Umwandlung macht jedoch gesunde Köpfe zu kranken Köpfen. Ein niederländischer Arzt, der die psychischen Auswirkungen des Lebens im Totalitarismus untersuchte, schrieb: „Es gibt in der Tat viel Vergleichbares zwischen den seltsamen Reaktionen der Bürger unter Totalitarismus und den Reaktionen von Kranken mit Schizophrenie.“

Der soziale Wandel, der sich im Totalitarismus entfaltet, baut auf Wahnvorstellungen auf und wird von ihnen getragen. Nur verblendete Menschen entwickeln sich zu gehorsamen, unterwürfigen Subjekten und geben die Kontrolle über ihr Leben an Politiker und Bürokraten ab. Nur eine verblendete herrschende Klasse wird glauben, sie besitze die Weisheit und den Scharfsinn, die Gesellschaft vollständig von oben zu steuern. Nur wer im Bann der Wahnvorstellungen steht, würde glauben, eine Gesellschaft, bestehend aus machthungrigen Herrschern einerseits und psychologisch regressiven Massen andererseits, könne anders als zu Leid und sozialen Ruinen führen.

Was aber ist der Auslöser für die Psychose des Totalitarismus? Wie im vorigen Video dieser Reihe gezeigt wurde, beginnt die Massenpsychose oft in der herrschenden Klasse: Individuen dieser Klasse — seien es Politiker, Bürokraten oder Cliquen — sind anfällig für Wahnvorstellungen, die ihre Macht vergrößern. Keine Wahnvorstellung ist für die Machthungrigen verlockender als die Idee, eine Gesellschaft vollständig kontrollieren zu können. Wenn eine herrschende Elite von einer solchen Ideologie besessen ist — sei es Kommunismus, Faschismus oder Technokratie — besteht der nächste Schritt darin, die Bevölkerung dazu zu bringen, ihre Herrschaft zu akzeptieren, indem man sie mit der Massenpsychose des Totalitarismus infiziert. Dieses Phänomen wurde in der Geschichte mehrfach herbeigeführt; wie Miao erklärt, geht es dabei schlicht darum, kollektive Gefühle auf bestimmte Weise zu reorganisieren und zu manipulieren. Die Methode, mit der Mitglieder einer herrschenden Elite dieses Ziel erreichen, wird als Mentizid bezeichnet — wörtlich: „Tötung des Verstandes“. Mirlo beschreibt Mentizid als ein altes Verbrechen gegen Verstand und Geist, das heute jedoch systematisiert ist: ein organisiertes System psychologischer Interventionen und juristischer Perversionen, mit denen eine herrschende Klasse ihre opportunistischen Gedanken in die Köpfe derer einprägt, die sie zerstören will.

Die Vorbereitung der Bevölkerung auf das Verbrechen beginnt mit dem Schüren von Angst. Wenn ein Individuum mit Emotionen wie Angst und Furcht überflutet wird, ist es sehr anfällig für einen Abstieg in den Wahnsinn. Reale, eingebildete oder erfundene Drohungen können benutzt werden, um Angst zu schüren.

Eine besonders wirksame Technik, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Einsatz von Terrorwellen. Bei dieser Technik wird das Schüren von Angst mit Perioden der Ruhe gestaffelt; auf jede dieser Ruhephasen folgt die Erzeugung einer noch intensiveren Welle der Angst — und so geht es immer weiter. Wie Mirlo schreibt: „Jede Welle des Terrors entfaltet ihre Wirkung leichter nach einer Verschnaufpause als die vorangegangene, weil die Menschen noch durch ihre früheren Erfahrungen verstört sind.“ Die Moral wird immer geringer und die psychologische Wirkung jeder neuen Propagandakampagne wird stärker. So erreicht man eine bereits weich gewordene Öffentlichkeit.

Während die Angst die Bevölkerung auf einen mentalen Zusammenbruch vorbereitet, wird Propaganda dazu eingesetzt, falsche Informationen zu verbreiten und Verwirrung zu fördern. Widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Quelle des Betrugs und die Art der Krise tragen dazu bei, den Verstand der Massen zu brechen. Regierungsbeamte und ihre Sprecher in den Medien können widersprüchliche Berichte, unzählige Informationen und sogar offensichtliche Lügen verwenden. Und je mehr sie verwirren, desto weniger wird die Bevölkerung in der Lage sein, die Krise zu bewältigen und ihre Angst auf rationale und adaptive Weise abzubauen.

Mit anderen Worten: Verwirrung erhöht die Anfälligkeit für einen Abstieg in den Wahn des Totalitarismus. Oder, wie Mirlo erklärt: „Der Logik kann man mit Logik begegnen; der Unlogik nicht.“ Unlogik verwirrt diejenigen, die klar denken. Die große Lüge und monoton wiederholter Unsinn haben mehr emotionale Anziehungskraft als Logik und Vernunft. Während die Menschen noch nach einem vernünftigen Gegenargument für die erste Lüge suchen, konfrontiert man sie bereits mit der nächsten.
Nie zuvor in der Geschichte gab es so effektive Mittel, um eine Gesellschaft in die Psychose des Totalitarismus zu manipulieren: Smartphones, soziale Medien, Fernsehen und Internet, all das in Verbindung mit Algorithmen, die den Fluss unerwünschter Informationen schnell zensieren, ermöglichen es Machthabern, den Verstand der Massen mit Leichtigkeit anzugreifen. Darüber hinaus bedeutet der Suchtcharakter dieser Technologien, dass sich viele Menschen freiwillig mit bemerkenswerter Häufigkeit der Propaganda der herrschenden Eliten unterwerfen.

Moderne Technologie lehrt den Menschen, die Welt, die er betrachtet, als selbstverständlich hinzunehmen. Er nimmt sich keine Zeit, sich zurückzuziehen und zu reflektieren. Die Technik lockt ihn an und zieht ihn in ihren Bann: keine Ruhe, keine Meditation, keine Reflexion, keine Gespräche. Die Sinne werden ständig mit Reizen überflutet; der Mensch lernt nicht mehr, seine Welt zu hinterfragen. Der Bildschirm bietet ihm fertige Antworten.

Es gibt noch einen weiteren Schritt, den die angehenden Totalitaristen unternehmen können, um die Wahrscheinlichkeit einer totalitären Psychose zu erhöhen: die Isolation der Opfer und die Unterbrechung normaler sozialer Interaktionen. Wenn man alleine ist und keine normalen Interaktionen mit Freunden, Familie und Arbeitskollegen hat, ist man aus mehreren Gründen viel anfälliger für Wahnvorstellungen. Erstens verliert man den Kontakt mit der korrigierenden Kraft des positiven Beispiels: Nicht jeder fällt auf die Machenschaften der herrschenden Elite herein, und die Menschen, die die Propaganda durchschauen, können anderen helfen, sich von den geistigen Angriffen zu befreien. Wenn Isolation jedoch erzwungen wird, nimmt die Kraft dieser positiven Beispiele stark ab.

Ein weiterer Grund, warum Isolation die Wirksamkeit von Manipulation erhöht, ist, dass sich Menschen — wie viele andere Spezies auch — leichter auf neue Denk- und Verhaltensmuster konditionieren lassen, wenn sie isoliert sind. In Bezug auf die Arbeiten des Physiologen Iwan Pawlow zur Verhaltenskonditionierung erklärte Pawlow, dass der konditionierte Reflex am leichtesten in einem ruhigen Labor mit einem Minimum an störenden Reizen entwickelt werden kann. Jeder Tiertrainer weiß das aus eigener Erfahrung: Isolation und geduldige Wiederholung von Reizen sind nötig, um wilde Tiere zu zähmen. Die Totalitaristen folgen dieser Regel; sie wissen, dass sie ihre politischen Opfer schnell konditionieren können, wenn diese in Isolation gehalten werden.

Allein gelassen, verwirrt und stark mitgenommen von den Wellen des Terrors verfällt eine Bevölkerung, die von solchen Angriffen betroffen ist, in einen hoffnungslosen und verletzlichen Zustand. Der nie endende Strom der Propaganda verwandelt den einst rational denkenden Verstand in ein Spielfeld irrationaler Kräfte. Die Massen sehnen sich angesichts des äußeren und inneren Chaos nach einer Rückkehr zu einer geordneten Welt. Die angehenden Totalitaristen können nun den entscheidenden Schritt gehen: Sie können einen Ausweg und eine Rückkehr zur Ordnung anbieten — doch all dies hat einen Preis.

In Massen müssen die Menschen ihre Freiheit aufgeben und die Kontrolle über alle Aspekte ihres Lebens an die herrschende Elite abtreten. Sie müssen aufhören, selbstständige Individuen zu sein, die für ihr eigenes Leben verantwortlich sind, und stattdessen unterwürfig und gehorsam werden. Mit anderen Worten: Die Massen müssen in die Wahnvorstellungen der totalitären Psychose übergehen. Totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts stellen eine Art kollektive Psychose dar; ob allmählich oder plötzlich, Vernunft und normaler menschlicher Anstand sind in einem solchen System nicht länger möglich. Es gibt nur noch eine allgegenwärtige Atmosphäre des Terrors und eine Projektion des Feindes, von dem man annimmt, er sei mitten unter uns. So wendet sich die Gesellschaft gegen sich selbst, angetrieben von den herrschenden Autoritäten.

Aber die Ordnung einer totalitären Welt ist eine pathologische Ordnung: Eine strikte Konformität wird erzwungen, und von den Bürgern wird blinder Gehorsam verlangt. Der Totalitarismus beraubt die Welt der Spontaneität, die viele Freunde des Lebens hervorbringt, und der Kreativität, die eine Gesellschaft voranbringt. Die totale Kontrolle dieser Herrschaftsform — ganz gleich unter welchem Namen sie auftritt, ob sie von Wissenschaftlern und Ärzten, Politikern und Bürokraten oder einem Diktator ausgeübt wird — führt zu Stagnation, Zerstörung und Tod in großem Maßstab.

So stellt sich die vielleicht wichtigste Frage: Wie kann Totalitarismus verhindert werden? Und, wenn eine Gesellschaft bereits in das Anfangsstadium dieser Massenpsychose hineingezogen wurde, können die Auswirkungen dann wieder rückgängig gemacht werden? Auch wenn man bei Prognosen bezüglich eines kollektiven Wahns vorsichtig bleiben muss, gibt es doch Schritte, die eine Heilung herbeiführen können. Diese Aufgabe erfordert die Annäherung vieler verschiedener Menschen; so wie der Angriff auf die Psyche vielschichtig ist, muss auch der Gegenangriff vielschichtig sein.

C. G. Jung zufolge steht der erste Schritt für diejenigen von uns, die zur Wiederherstellung der Vernunft beitragen wollen, darin, Ordnung in unsere eigenen Gedanken zu bringen und so zu leben, dass andere inspiriert werden, uns zu folgen. Nicht umsonst schreibt man unserem Zeitalter zu: Derjenige, der sich aus dem Griff der kollektiven Psychose befreien und wenigstens seine eigene Seele retten kann, entzündet ein Leuchtfeuer der Hoffnung für andere. Er verkündet, dass es wenigstens einen Menschen gibt, dem es gelungen ist, sich aus der fatalen Identität mit der Gruppenpsyche zu befreien.
Angenommen, man lebt so, dass man sich aus dem Griff der Psychose befreit hat — welche weiteren Schritte können unternommen werden? Erstens: Informationen, die der Propaganda entgegenwirken, so weit und so breit wie möglich verbreiten. Diese sind mächtiger als die Fiktion und die Unwahrheiten, welche die angehenden Herrscher verbreiten. Ihr Erfolg hängt zum Teil von ihrer Fähigkeit ab, den freien Informationsfluss zu zensieren; je mehr unabhängige Informationen verbreitet werden, desto weniger wirksam ist diese Taktik.

Eine weitere Taktik besteht darin, die herrschende Elite mit Humor und Spott zu delegitimieren. Wie Mirlo erklärt: Wir müssen lernen, Demagogen und Diktatorenanwärter mit der Waffe des Spottes zu behandeln. Der Demagoge selbst ist oft unfähig zu jeglichem Humor; wenn wir ihn mit Spott behandeln, beginnt er zu kollabieren. Vaclav Havel, ein politischer Dissident unter der sowjetischen kommunistischen Herrschaft und späterer Präsident der Tschechoslowakei, empfahl den Aufbau sogenannter Parallelstrukturen. Eine Parallelstruktur ist jede Form von Organisation, Unternehmen, Institution, Technologie oder kreativem Streben, die physisch innerhalb einer totalitären Gesellschaft, aber moralisch außerhalb von ihr existiert.

In der kommunistischen Tschechoslowakei stellte Havel fest, dass diese Parallelstrukturen bei der Bekämpfung des Totalitarismus wirksamer waren als politisches Handeln allein. Wenn genügend Parallelstrukturen geschaffen werden, bildet sich spontan eine zweite Kultur oder Parallelgesellschaft, die als Enklave der Freiheit und Vernunft in einer totalitären Welt funktioniert. Wie Havel in „The Power of the Powerless“ erklärt: Was sind parallele Strukturen anderes als ein Raum, in dem ein anderes Leben gelebt werden kann — ein Leben, das im Einklang mit seinen eigenen Zielen steht und sich selbst nach diesen Zielen strukturiert?

Was sind diese ersten Versuche gesellschaftlicher Selbstorganisation anderes als das Bemühen eines Teils der Gesellschaft, sich von den sich selbst erhaltenden Aspekten des Totalitarismus zu befreien und sich radikal aus seiner Verstrickung in das totalitäre System zu lösen? Vor allem aber bedarf es des Handelns möglichst vieler Menschen, um ein völliges Abrutschen in den Wahnsinn und in den Totalitarismus zu verhindern. So wie die herrschende Elite nicht tatenlos sitzt, sondern bewusst Schritte unternimmt, um ihre Macht zu vergrößern, so muss auch eine aktive und zielgerichtete Anstrengung unternommen werden, um die Welt wieder in Richtung Freiheit zu bewegen.

Das kann in einer Welt, die dem Wahn des Totalitarismus verfällt, eine immense Herausforderung sein. Aber, wie Thomas Paine feststellte: „Tyrannei ist, wie die Hölle, nicht leicht zu besiegen; doch haben wir den Trost, dass der Triumph umso glorreicher ist, je härter der Kampf ist.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

siebzehn + 20 =